Dialektforschung und Dialekte
Was sind eigentlich Dialekte? Drei Merkmale dienen der Charakterisierung und Abgrenzung:
- Dialekte werden gesprochen, aber selten oder nie geschrieben. Ihnen fehlt die Standardisierung durch die Schrift, die Pflege und Verbreitung durch den Schulunterricht und den offiziellen Gebrauch in Verwaltung, Kultur und Wissenschaft. Im Gegensatz zur Standardsprache eines Landes gelten sie als ‚Substandard‘.
- Dialekte haben in der Regel eine begrenzte regionale Verbreitung. Oft sind sie von Dorf zu Dorf in wenigen lautlichen, grammatischen oder lexikalischen Zügen verschieden. Andererseits lassen sie sich auf Grund wichtiger Gemeinsamkeiten als Regionaldialekte wie z.B. Ostfränkisch, Bairisch, Niederdeutsch zusammenfassen. Ihre sprachliche Eigenart und regionale Verbreitung sind Grundlage einer engen Verbundenheit der Dialektsprecher untereinander. Der Dialekt schafft regionale Identität.
- Dialekte sind die eigentliche Muttersprache der meisten Menschen dieser Welt. Erst im Laufe ihrer Sozialisation erlernen sie den Gebrauch einer oder mehrerer Standardsprachen für den schriftlichen, überregionalen und offiziellen Gebrauch. Sie sind zeitlebens zwei- oder mehrsprachig. Auch dies ist charakteristisch für Dialekte: ihre besondere Stellung in einer funktional differenzierten Mehrsprachigkeit (Diglossie).
Neben den Dialekten, also den räumlich definierbaren Varietäten einer Sprache, gibt es weitere Arten sprachlicher Varietäten:
Soziolekte, sprachliche Register und historische Dialekte.Die Variationslinguistik befasst sich also mit Sprache ganz unterschiedlicher Stellung, z.B.
- auf unsere deutschen Dialekte, die mit der Standardsprache eng verwandt sind und auch Zwischenstufen mit ihr bilden, die sog. Umgangssprachen
- auf historische Dialekte wie z.B. die althochdeutschen des frühen Mittelalters, die existierten, bevor aus ihnen eine Standardsprache entwickelt wurde
- auf germanische Dialekte in Nordfriesland oder romanische in den Alpen, die keine eigene überdachende Standardsprache besitzen, aber dennoch eine eigene Sprachgruppe bilden (Friesisch, Rätoromanisch)
- sog. Kreolsprachen in aller Welt, die aus dem Kontakt von Kolonialsprachen (insbes. Französisch, Portugiesisch, Englisch) und einheimischen Sprachen entstanden.
- die arabischen Dialekte, die zum Teil den Status „inoffizieller“ Landes und Regionalsprachen erreichen und in der mündlichen Alltagskommunikation jederzeit der Hochsprache vorgezogen werden.
- den Schriftsprachgebrauch in bestimmten sozialen Milieus (z.B. bildungsferner Schichten) oder spezifischen Situationen (z.B. Bittschreiben).